Das Wandern ist des Drummers Lust
Wolfram Goertz
Rheinische Post, Dezember 2022
Manche Musiker erfanden den Urknall, doch selten war es ihre Stunde Null. So bei dem Saxofonisten Ornette Coleman, der 1960 beim Countdown des Free Jazz mitgezählt hatte, der „Collective Improvisation". Kurz davor hatte er allerdings „Ramblin" vorgestellt, eine aufgekratzte, weitgespannte Nummer. Wie der Titel sagt, begibt sich einer
auf Wanderschaft.
Immer noch urknallen lässt es der Düsseldorfer Schlagzeuger Peter Weiss, der nicht müde wird, den Jazz neu auszuleuchten und rhythmisch zu strukturieren. Seine neue Platte nennt er „Still Ramblin'", sie bietet als Rückblende nicht nur Colemans Klassiker, sondern beschreibt auch ein musikalisches Lebensgefühl: Weiss hat das Wandern und Entdecken nicht eingestellt. Er ist immer noch hungrig.
Sein aktuelles Quintett spielt wunderbar nahrhaft. Da sind die gehaltvollen Linien des Trompeters Ryan Carniaux und die zutiefst expressiven Saxofonphrasen von Kristina Brodersen. Am Klavier verstärkt der erneut fabelhafte Sebastian Sternal die Musik wie eine Relaisstation. Christian Ramond am Bass, einer von Weiss' längsten Gefährten, sorgt für pointierte Wölbungen in die Tiefe. Und Weiss? Lässt die jungen Leute machen, fängt sie ein, zeigt uns seine Erfahrung und ist doch stets einer unter Gleichen.
Die CD (bei Jazzsick) wechselt zwischen den Temperamenten, von Wayne Shorters zarter ›Contemplation‹ bis zu Uli Beckerhoffs flammenschwerthaftem ›September Song‹. Auch im Dezember passt die CD hervorragend.